Geschichten Die Barnstorfer Straßenbahn

Mit der Bahn durch den Wald ...

von Christoph Hammer

Was dem Berliner der Grunewald, das war dem Rostocker und seinen Gästen die Waldungen der Barnstorfer Anlagen. Hierher konnte er sich zurück ziehen, dem Alltag des städtischen Lebens entfliehen - und, er brauchte nicht weit zu laufen, um in der Trotzenburg sein Bier zu genießen - die Straßenbahn brachte ihn geradewegs ins Grüne.

Alles Vergangenheit? Sicherlich, die Straßenbahn fährt nach wie vor durch den "Wald". Aber die Attraktivität und der Reiz dieser Teilstrecke ist schon lange nicht mehr der alte. Aber schauen sie doch mit uns einmal zurück.

Früher um die Jahrhundertwende war die Stadt am Alten Friedhof zu Ende. Von hieraus ging es ab 1881 zunächst mit der Pferdebahn und ab 1904 mit der "Elektrischen" über´s Land. Wer kann sich noch vorstellen, dass der erste Weg Richtung Barnstorf nicht durch die Parkstraße, so wie heute, sondern durch die Satower Chaussee führte. Dabei kreuzte die "Städtische" die Eisenbahn nach Warnemünde. Hier, wo 1915 ein schwerer Unfall passierte, befindet sich heute ein Bahndamm, der die alte Chaussee in Fahnen- und Schliemannstraße teilt. Am alten Sportpalast und späteren Fernsehstudio verschwindet die Bahn im Grünen. Vorbei an der Tierklinik und dem Zoologischen Garten, der 1910 aus dem Dendrologischen Garten und einigen Wildgehegen hervorging, erreicht die Bahn die Trotzenburg, ein Ausflugslokal, was sich in der Vergangenheit großer Beliebtheit erfreute. Hier war mehr als 30 Jahre Endstation, bevor die Bahn zunächst bis zum Damm der Wismarer Eisenbahn und später über sie hinweg zum Neuen Friedhof verlängert wurde.

Seit der Einführung des Nummernsystems im Jahre 1911 waren auf dem Ast immer die Einser- Linien unterwegs. Und diese Tradition hat sich bis 2003 gehalten. Bis Mitte der 40-er fuhr mit einigen Einschränkungen die Linie 1 in Richtung Barnstorf. Während des 2. Weltkrieges und den schweren Bombenangriffen auf Rostock wurde die Strecke im Barnstorfer Wald zur Abstellung des Wagenparks genutzt. Auf diese Weise konnte der größte Teil der Wagen gerettet werden, während die Wagenhallen, das Werkstadtgebäude und auch das Verwaltungsgebäude in der Kaiser-Wilhelm-Str. (heute Rosa-Luxemburg-Str.) Opfer der Bomben wurden. Nachdem im August 1945 der Straßenbahnbetrieb wieder aufgenommen werden konnte, war es nach wenigen Tagen auch wieder möglich den Neuen Friedhof anzufahren. Doch schon am 20. August war schon wieder Schluss. Die sowjetischen Besatzungstruppen, die sich im Wald niedergelassen hatten, verwehrten der Straßenbahn die Durchfahrt. Da der Gleiswechsel am Sportpalast in dieser Zeit nicht nutzbar war, erschwerte sich der Betriebsablauf in der Parkstraße. So musste am Saarplatz ein Standtriebwagen postiert werden, der sich hinter den Richtung Sportpalast fahrenden Wagenzug setzte und an der Endstelle den oder die Beiwagen übernahm. Der so frei gewordene Triebwagen fuhr leer zum Saarplatz zurück und wartete dort auf den nächsten Zug. Dieser Umstand war allerdings im Juli 1946 mit der Einrichtung der Wendeschleife am Sportpalast beendet. Zum Totensonntag 1946 war dann der Weg zum Neuen Friedhof wieder frei. Seither verband die wohl bekannteste Rostocker Linie, die 11, den Hauptbahnhof mit dem Barnstorfer Wald.

Heute ist es kaum noch vorstellbar, dass die höchsten Fahrgastzahlen auf der Barnstorfer Strecke erbracht wurden. Auch später, wenn große Veranstaltungen auf dem Kastanienplatz oder im Zoologischen Garten stattfanden, war für die Straßenbahn auf dieser Strecke mit Wagenfolgen von 3 Minuten Großkampftag. Veränderte Gewohnheiten und zunehmender Autoverkehr trugen in den letzten Jahren dazu bei, dass die "11" immer weniger genutzt wurde. Mit der Liniennetzreform 2003 verschwand die Liniennummer 11 aus dem Rostocker Stadtbild, nicht aber die Strecke.

Also, wenn Sie das nächste Mal mit der Linie 3 oder der 6 zum Zoo oder zum Neuen Friedhof fahren, schauen Sie mal durchs Fenster und genießen Sie die 5 Minuten. Es lohnt sich wirklich!

Über eine kleine Kuriosität sei am Schluss noch berichtet. Als in den 50-er Jahren die Südstadt gebaut wurde, transportierte man die Großtafeln vom Herstellerwerk, dass sich südlich des heutigen Stadtteils Reutershagen II befand, per Feldbahn durch die Barnstorfer Anlagen. Dabei kreuzte das Feldbahngleis die Straßenbahn kurz vor der Straßenüberfahrt Rennbahnallee nahe der Trotzenburg. Reste dieser Gleissituation waren noch bis in die 80-er Jahre zu erkennen. Leider sind uns keine Bilder bekannt, die diese Situation zeigen. Aber vielleicht kann uns der ein oder andere Leser weiterhelfen?

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