Geschichten De Rostocker Pierbahn (1881 - 1904)

Die Vorgeschichte der "Elektrischen"...

von Christoph Hammer

Es muss paradiesisch gewesen sein, damals im Jahre 1881, als nur Hufgeklapper und Peitschengeknall durch die engen Gassen der alten Hansestadt hallten.

Die Erweiterungen der Stadt über ihre alten Grenzen hinaus und der Wunsch der Einwohner nach einem billigen Beförderungsmittel führte zu der Errichtung einer Bahnlinie in Rostock. Offenbar reichten die ersten Erfahrungen anderer Städte, in denen schon eine "Elektrische" unterwegs war, nicht aus, so dass man zum Antrieb der Bahn der Pferdekraft den Vorrang gab.

Mit der Vergabe der Konzession an die "Mecklenburger Straßeneisenbahn Actien-Gesellschaft (MSEAG)" wurde unverzüglich mit dem Bau des Schienenweges für die Pferdebahn durch die Hauptverkehrsstraßen der Stadt begonnen.

Im gleichen Jahr, am 14. Oktober 1881 wurde das "Päsel", wie es die Fahrgäste liebevoll nannten, mit drei Linien eröffnet, die sowohl alle wichtigen Punkte und Einrichtungen als auch die Ausflugsziele miteinander verband.

  1. Weißes Kreuz - Neue Wallstraße - Steinstraße - Neuer Markt - Blutstraße - Hopfenmarkt - Kröpeliner Straße - Schröderplatz - Wismarsche Straße - Alter Friedhof
  2. Strand (Hafen) - Koßfelder Straße - Neuer Markt - Steinstraße - Alexandrinenstraße - Bellevue
  3. Schröderplatz - Augustenstraße - Steinstraße - Neuer Markt - Blutstraße - Blücherplatz

An Sonntagen und im Sommer fuhren die Wagen über den Alten Friedhof hinaus durch die Satower Chaussee zu den Barnstorfer Anlagen.

Bei Inbetriebnahme standen zunächst 10 Wagen und 27 Pferde zur Verfügung. Das Depot war im Haus Ottostraße 22 eingerichtet. Die einzigen festen Haltestellen der Pferdebahn waren die Endhaltestellen. Dort mussten die Pferde umgespannt werden. Ansonsten hielten die Fahrer auf Zuruf.
Die Pferdebahn war die "Königin der Stadtstraße". Eine StVO gab es noch nicht. Und so konnte man es dem Kutscher auch nicht verübeln, wenn er durchgefroren am Ende der Fahrt einen Hieb aus der Köhmbuddel nahm.

Aber auch Studenten hatten erkannt, dass man mit der Bahn nicht nur fahren konnte. Sie machten sich den Spaß, durch Wippen auf dem hinteren Perron, den Wagen aus den Gleisen zu heben. Während dann der Fahrer zusehen musste, wie er den Wagen wieder fahrbereit bekam, zogen die Herren Studenten ungeschoren davon, da ihre Eltern meist auch Aktionäre des Unternehmens waren.

Aufgrund der fehlenden Fahrgäste wurden schon zeitig die Streckenäste von der Alexandrinenstraße zum Bellevue und vom Neuen Markt zum Hafen eingestellt. Der neue Bahnhof an der Lloyd-Bahn wurde hingegen mit seiner Eröffnung 1886 an das Netz der Pferdebahn angeschlossen.

Um die Jahrhundertwende zeichnete sich mehr und mehr ab, dass das Verkehrsaufkommen mit der "Pierbahn" auf Dauer nicht mehr zu bewältigen war. Und so entschieden sich die Stadtoberhäupter nach langen Debatten für die Umstellung auf den elektrischen Antrieb. Am 22. Mai 1904 rollte die erste "pferdelose" Straßenbahn über Rostocks Straßen. Am gleichen Tage ging die Rostocker Straßenbahn Actien=Gesellschaft aus der MSEAG hervor.

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