Die Waggonfabrik Wismar
Im Jahre 1870 kam aus Rostock - Warnemünde der Kapitän Heinrich Podeus nach Wismar. Schon im gleichen Jahr gründete er eine Kohlenimportfirma. 1884 entstand unter seiner Leitung ein Säge- und Hobelwerk, in dem weiteren Verlauf seiner Tätigkeit folgten noch eine Eisengießerei und eine Maschinenfabrik. Dieser geschäftstüchtige Kapitän war im Jahre 1894 auch der Gründer der Waggonfabrik Wismar. Die Selbstständigkeit dieser Fabrik, die bereits in eine Aktiengesellschaft umgewandelt war, ging 1921 zu Ende mit der Eingliederung in den Verband Deutscher Waggonfabriken, dem 32 Werke angehörten. Neben dem Bau von Reisezug-, Güter- und Spezialwagen für die Deutsche Reichs- sowie für viele Privatbahnen wurden auch Triebfahrzeuge (außer dampfgetriebene) gefertigt. Die Produktion von Straßenbahntriebwagen begann 1910/11 mit der Auslieferung von Fahrzeugen z.B. für Berlin, Magdeburg, Halle, Schwerin und Strausberg. Das Rostocker Straßenbahn- unternehmen erhielt aber erst 1926/27 die ersten Triebwagen aus der Wismarer Fabrik. Für die Rostocker Straßenbahn AG wurden in diesen Jahren acht Triebwagen gefertigt, die- se kamen mit den Betriebsnummern 26 bis 33 zum Einsatz. In den Kriegsjahren 1940/44 folgten nochmals sieben (zunächst sechs, aber durch Kriegszerstörung ein weiterer) und erhielten Betriebsnummer 34 bis 39. Im Jahre 1950 produzierte die Schiffswerft Wismar als Nachfolger der Waggonfabrik nochmals drei weitere Triebwagen des gleichen Typs mit den Nummern 40 bis 42. Dieses waren zugleich die ersten neugebauten Straßenbahntriebwagen in der DDR. Mit dem Bau von drei Beiwagen (Nr.: 57 bis 59, später 121 bis 123), auch „Aufbauwagen“ genannt, endete die Ära des Straßenbahnfahrzeugbaus in Wismar. In der Waggonfabrik Wismar entstanden in den 1930er Jahren aber auch Kraftfahrzeuge. Die Rostocker Straßenbahn AG erhielt aus der Produktion elf Holzgasbusse mit den Betriebsnummern 16 bis 21 und 123 bis 127. Die Antriebsaggregate lieferten allerdings andere Werke.
Die Aufbaubeiwagen
Ebenfalls im Jahre 1950 fertigte die “Schiffswerft Wismar“ drei Beiwagen mit den Betriebs-Nr.: 57 bis 59, später 122 bis 124. Diese Fahrzeuge, auch „Aufbauwagen“ genannt, hatten einen Wagenkasten mit einer Holzrahmenkonstruktion, die außen verblecht und auf einen Stahlunterbau montiert war. Für den Nahverkehr Rostock waren es die ersten Beiwagen mit Schiebetürausstattung. Die sehr eigenwillige Konstruktion ähnelte der der Triebwagen 34 bis 42. Neu war die einheitliche Anordnung aller Fahrgastsitze in Querrichtung. Die Aufbaubeiwagen wurden in ihrem kurzem "Leben“ dem mehrmaligen Umbau unterzogen. Bei der Generalüberholung kam es zur Veränderung der Perronfenster und es wurden neue Bremsanlagen vom Typ des LOWA - Beiwagens EB54 eingebaut. Eine Besonderheit aller Wismar-Wagen war, dass sie keine Untergestelle hatten - zur damaligen Zeit somit schon über einen selbsttragenden Wagenkasten verfügten. Zwei Fahrzeuge dienten bis 1972 als „Umkleideräume“ auf dem Sportplatz in Rostock Marienehe.
Die Holzgasomnibusse
Beginnend 1933 fertigte die Waggonfabrik Wismar für die Rostocker Straßenbahn AG auch Holzgasbusse. In einem Großversuch wurde damals die Verwendungsmöglichkeit nachwachsender Rohstoffe als Energielieferant zu nutzen geprüft. Den nationalsozialistischen Machthabern ging es vor allem darum, sich wirtschaftlich unabhängiger vom Ausland zu machen. Da dieser Test erfolgreich verlief, entschied sich die RSAG für die Einführung und den Betrieb von Holzgasomnibussen. Mit ca. 18 Säcken getrocknetem und klein geschnittenem Holz konnte ein Bus einen Tag lang den Verkehrsdienst leisten. Im Depot Fahnenstraße wurde extra eine Holztankstelle eingerichtet - unter dem Namen „Holzhalle“ bekannt, wurde sie noch bis 1993 als Werkstatt des innerbetrieblichen Fuhrparkes benutzt. Insgesamt kamen aus Wismar elf Busse. Mit der Zuführung neuer Fahrzeuge ab 1955 endete im Jahre 1957 ein interessantes Kapitel der Rostocker Omnibusgeschichte.